Plädoyer für den Erhalt der Verlagslandschaft

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Im Frühjahr 2016 ging ein Aufschrei durch die Reihen der Verleger. Der BGH (Az. I ZR 198/13) hatte entschieden, dass es mit geltendem Recht unvereinbar sei, Verlage pauschal an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) zu beteiligen. Auf den ersten Blick wirkt diese Entscheidung verstörend, wenn man sich vor Augen führt, was die VG Wort im Grunde ihres Herzens ist: Die VG Wort wurde 1958 gegründet. Sie ist ein rechtsfähiger Verein kraft staatlicher Verleihung, der unter der Staatsaufsicht des Deutschen Patent- und Markenamts steht und in dem sich Wortautoren und deren Verleger zur gemeinsamen Verwertung von Urheberrechten zusammengeschlossen haben. Wenn es sich bei der VG Wort aber um einen Zusammenschluss von Autoren und Verlegern handelt, warum dürfen Verlage dann nicht an den Einnahmen dieser Gesellschaft beteiligt werden? Um die Entscheidung der Karlsruher Richter überhaupt nachvollziehen zu können, muss man sich zunächst vergegenwärtigen, woraus die VG Wort ihre Einnahmen speist. In einem weiteren Schritt ist ein zumindest kursorischer Blick ins deutsche Urheberrecht unumgänglich, auch die Vorgaben, die sich diesbezüglich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben, müssen dabei mit in den Blick genommen werden.

 

Was ist die VG Wort?

 

Bei den Einnahmen, die die VG Wort erzielt, handelt es sich um Tantiemen aus Zweitverwertungsrechten. Diese Tantiemen fallen an, wenn Bücher und Texte nach der Erstveröffentlichung kostenfrei genutzt werden. Eine Bibliothek beispielsweise kauft ein Werk nur einmal, stellt es aber mehreren Lesern zur Verfügung. Dem Autor des betreffenden Werkes und dem Verlag entgehen dadurch zwangsläufig Einnahmen. Um diesen finanziellen Verlust auszugleichen, müssen Bibliotheken eine Abgabe an die VG Wort leisten. Diese sog. Betreibervergütung ist gem. § 54c UrhG nicht nur von öffentlichen Bibliotheken, sondern auch von Copyshops, Fachhochschulen, Universitäten, Bildungseinrichtungen, Schulen und Volkshochschulen an die VG Wort zu entrichten. Daneben tritt die sog. Kopier-Vergütung, die von Herstellern von zur Vervielfältigung geeigneten Geräten und von Importeuren und Händlern zu zahlen ist, §§ 54, 54b UrhG. Diese, aus den §§ 54 ff. UrhG resultierenden Vergütungsansprüche dürfen nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden. Diese Aufgabe kommt in Deutschland für den Bereich der Texte einzig und allein der VG Wort zu. Sie soll die Rechte von Autoren und Verlegern gegenüber den genannten Zweitverwertern geltend machen.

 

Der zur Entscheidung vorgelegte Sachverhalt

 

Im Bereich der wissenschaftlichen Publikationen war es jahrzehntelange Praxis, 50 % der Vergütungszahlungen, die die VG Wort für diese Sparte eingenommen hat, pauschal an die Verlage auszuschütten. Gegen diese Praxis wandte sich ein Autor wissenschaftlicher Werke. Er hatte mit der (beklagten) VG Wort 1984 einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen, im Rahmen dessen er der VG Wort bestimmte Rechte an allen von ihm bereits oder künftig geschaffenen Sprachwerken zur treuhänderischen Wahrnehmung eingeräumt hat. Seit 1994 ist dieser Autor auch Mitglied der VG Wort. Im Laufe der folgenden Jahre hatte er mit verschiedenen Verlagen Verlagsverträge geschlossen, in denen er den Verlagen zumindest teilweise auch die Zweitverwertungsrechte an den von den betreffenden Verlagen verlegten Werken abgetreten hat. Nachdem er die VG Wort mehrfach darauf hingewiesen hatte, dass die oben aufgezeigte Ausschüttungspraxis seiner Auffassung nach mit dem geltenden Urheberrecht nicht in Einklang zu bringen sei, erhob er Ende 2011 vor dem LG München I Klage, mit der er u.a. die Feststellung erstrebte, dass eine Beteiligung von Verlagen an den Ausschüttungen der VG Wort unzulässig sei.

 

Die Auffassung der beiden ersten Instanzen

 

Das LG München I (Az. 7 O 28640/11) gab der Klage in ihren wesentlichen Zügen statt. Diese Entscheidung des LG München I wurde später in zweiter Instanz durch das OLG München (Az. 6 U 2492/12) zwar nicht in allen Punkten, aber doch im Wesentlichen bestätigt. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit den rechtlichen Vorgaben auf europäischer Ebene erfolgte weder in erster noch in zweiter Instanz, lediglich das OLG München stellte kurz und knapp fest, dass sich § 63a Satz 1 UrhG im Einklang mit den Vorgaben des Unionsrechts befinde.

 

Der EuGH meldet sich in einem ähnlich gelagerte Fall zu Wort

 

Sowohl die VG Wort als auch der Kläger legten gegen die Entscheidung des OLG München Revision beim BGH ein. Dieser setzte das Verfahren in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2014 zunächst aus, um die Entscheidung des EuGH in der zwischenzeitlich anhängigen Rechtssache „Hewlett Packard/Reprobel“ (Az. C-572/13) abzuwarten. In diesem Verfahren war dem EuGH vom Cour d’appel de Bruxelles unter anderem die Frage vorgelegt worden, ob es den Mitgliedstaaten gestattet sei, „die Hälfte des den Rechtsinhabern zustehenden gerechten Ausgleichs den Verlegern der von den Urhebern geschaffenen Werke zu gewähren, ohne dass die Verleger in irgendeiner Art und Weise verpflichtet wären, die Urheber auch nur indirekt in den Genuss des ihnen vorenthaltenen Teils des Ausgleichs kommen zu lassen“. Anlass zur Vorlage dieser Frage hatte eine Regelung des belgischen Rechts gegeben, auf Basis derer die Verlage an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft beteiligt worden waren. Anders als in Deutschland, wo der Verlagsanteil aufgrund einer privatautonomen Vereinbarung gewährt wurde, wurde den Verlegern in Belgien ein Anteil an den Ausschüttungen also per Gesetz zugewiesen, ohne dass die Autoren dagegen hätten ihr Veto einlegen können.

Der EuGH gelangte zu der Auffassung, dass eine Verlagsbeteiligung aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift mit dem Unionsrecht unvereinbar ist. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Gericht aus, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 5 II Buchst. a und b InfoSocRL dafür Sorge zu tragen hätten, dass die Inhaber des Vervielfältigungsrechts einen gerechten Ausgleich für die Einführung der Privatkopieschranke, also des Rechts, Vervielfältigungen eines Werkes zum privaten Gebrauch fertigen zu dürfen, erhalten. Die Verleger gehörten indes nach Art. 2 InfoSocRL nicht zu den Inhabern des Vervielfältigungsrechts und könnten daher auch nicht an dem – einzig und allein den Inhabern des Vervielfältigungsrechts zustehenden – gerechten Ausgleich beteiligt werden, wenn dadurch den Urhebern der gerechte Ausgleich ganz oder teilweise entzogen wird. Nach Auffassung des EuGH müssen also die EU-Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass die Urheber den „gerechten Ausgleich“ in voller Höhe erhalten.

 

Die Sichtweise des BGH

 

Im Lichte dieser EuGH-Rechtsprechung kann die Entscheidung des BGH zum Verlegeranteil kaum verwundern. Das Gericht folgte nicht nur dem EuGH, sondern bestätigte auch den Standpunkt, den bereits das LG München I sowie das OLG München im gleichen Verfahren geäußert hatten. Ausgangspunkt der Überlegungen war § 307 BGB, eine Vorschrift, die die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen zum Gegenstand hat. Der BGH wies zunächst darauf hin, dass es sich bei der Satzung und dem Verteilungsplan der VG Wort um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Die darin enthaltenen, eine Verlegerbeteiligung vorsehenden Bestimmungen seien mit § 7 Satz 1 UrhWG nicht vereinbar. § 7 Satz 1 UrhWG läge der wesentliche Gedanke zugrunde, dass die Verwertungsgesellschaft die Einnahmen aus der Wahrnehmung der sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergebenden Nutzungsrechte, Einwilligungsrechte oder Vergütungsansprüche von Urhebern und Inhabern verwandter Schutzrechte ausschließlich an die Inhaber dieser Rechte oder Ansprüche zu verteilen hat. Aus der Stellung der Verwertungsgesellschaft als Treuhänderin der Berechtigten folge, dass sie die Erlöse aus der Wahrnehmung dieser Rechte und Ansprüche nicht an Nichtberechtigte auskehren dürfe.

Nach dem Urheberrechtsgesetz stünden den Verlegern aber keine eigenen Rechte oder Ansprüche zu, die von der VG Wort wahrgenommen werden könnten. Verleger seien – von den hier nicht in Rede stehenden Presseverlegern abgesehen – keine Inhaber eines Leistungsschutzrechts. Die gesetzlichen Vergütungsansprüche für die Nutzung verlegter Werke stünden kraft Gesetzes originär den Urhebern zu.

Eine Beteiligung von Verlegern an den Einnahmen der VG Wort würde voraussetzen, dass die Einnahmen auf der Wahrnehmung originärer oder von den Wortautoren abgeleiteter Rechte oder Ansprüche der Verleger beruhen. Nach Auffassung des Gerichts nehme die VG Wort aber keine den Verlegern von den Urhebern eingeräumten Rechte oder abgetretenen Ansprüche in einem Umfang wahr, der eine Beteiligung der Verleger am Vergütungsaufkommen begründen könne. Das den Verlegern von den Urhebern verschaffte Verlagsrecht räumten die Verleger der VG Wort nicht zur Wahrnehmung ein. Und gesetzliche Vergütungsansprüche würden die Urheber den Verlegern jedenfalls nicht in einem Umfang wirksam abtreten, der eine pauschale Beteiligung der Verleger am Vergütungsaufkommen der VG Wort in Höhe von regelmäßig der Hälfte der Einnahmen rechtfertige.

An diesem Ergebnis ändere auch § 63a Satz 2 Fall 2 UrhG nichts. Diese Norm fingiere kein eigenes Leistungsschutzrecht der Verleger oder einen originären Anspruch der Verleger auf pauschale Beteiligung an den Erlösen der VG Wort aus der Wahrnehmung gesetzlicher Vergütungsansprüche. Nach § 63a Satz 1 UrhG scheide ein Verzicht des Urhebers auf gesetzliche Vergütungsansprüche im Vorhinein, also vor Entstehung des Anspruchs, aus. Im Voraus könnten diese Vergütungsansprüche nach § 63a Satz 2 UrhG nur an eine Verwertungsgesellschaft oder zusammen mit der Einräumung des Verlagsrechts an den Verlag abgetreten werden, wenn dieser sie durch eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen lässt, die Rechte von Verlegern und Urhebern gemeinsam wahrnimmt. Mit dieser Vorschrift hätte der Gesetzgeber den Verlagen aber keine eigenen Rechte und Ansprüche vermittelt, sondern lediglich von den Urhebern abgeleitete Rechte und Ansprüche. Letzteres sei im Hinblick auf die durch das Unionsrecht gesetzten Rahmenbedingungen aber überhaupt nur denkbar, wenn der Verlag die ihm abgetretenen Rechte allein im Interesse des Urhebers von der Verwertungsgesellschaft wahrnehmen lässt. Ließe der Verlag die an ihn abgetretenen Ansprüche auch oder allein in seinem eigenen Interesse durch eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen, würde die Vorausabtretung des Vergütungsanspruchs einem Verzicht des Urhebers auf seine gesetzlichen Vergütungsansprüche gleichkommen. Ein solches Ergebnis würde aber den Vorgaben des Unionsrechts zuwider laufen.

Eine Abtretung der gesetzlichen Vergütungsansprüche des Urhebers an den Verlag sei grundsätzlich denkbar, tatsächlich aber nur dann wirksam, wenn er sie nicht bereits zuvor an einen Dritten abgetreten hat. In dem Fall, der dem BGH zur Entscheidung vorlag, hatte der Autor seine Ansprüche aber bereits zur Wahrnehmung an die VG Wort abgetreten. Eine etwa im Rahmen der Verlagsverträge erfolgte Abtretung dieser Ansprüche an die betreffenden Verlage war daher aufgrund des Prioritätsprinzips nicht mehr wirksam möglich.

 

Wie kann es weitergehen?

 

Diese sehr klaren Worte des BGH wurden im urheberrechtlichen Schrifttum teilweise begrüßt und für zutreffend befunden, partiell jedoch auch heftig kritisiert. Inwieweit der BGH auf dem Boden des geltenden Rechts tatsächlich hat nur so entscheiden können, wie er es getan hat, oder ob er auch zu einer anderen Einschätzung hätte gelangen können, soll hier nicht untersucht werden. Wesentlich drängender ist die Frage, wie man mit diesem Urteil umgehen kann.

Gegen die Entscheidung des BGH ist Verfassungsbeschwerde eingelegt worden. Doch das hilft in der augenblicklichen Situation nicht. Bis das Bundesverfassungsgericht seine Auffassung zur Frage der Verlagsbeteiligung darlegen wird, werden noch zahlreiche Monate ins Land gehen – Monate, in denen das Urteil des BGH zu beachten und entsprechend umzusetzen ist, Monate, in denen die Verlage mit den Folgen der in Karlsruhe getroffenen Entscheidung konfrontiert sind.

Die Konsequenz des Urteils zum Verlegeranteil besteht nicht allein darin, dass es der VG Wort zukünftig verwehrt ist, die Verlage allein auf der Basis einer Satzungsregelung pauschal an ihren Einnahmen zu beteiligen. Die Entscheidung bedeutet auch, dass die Verlage ganz erheblichen Rückforderungsansprüchen ausgesetzt sind, denn sie gibt Autoren das Recht, die Anteile an den Tantiemen zurückzufordern, die für die Jahre 2012 bis einschließlich 2015 an die Verlage ausgeschüttet worden sind. Allein diese Rückforderungsansprüche, die sich branchenweit auf einen zweistelligen Millionenbetrag belaufen dürften, bedrohen vor allem die kleinen und mittleren Verlage in ihrer Existenz , da diese zwingend auf die Ausschüttungen der VG Wort angewiesen sind. Der Hinweis, dass die Verlage bereits ab dem Jahr 2012 nicht mehr darauf hätten vertrauen dürfen, dass sie die erhaltenen Tantiemen behalten dürfen, ändert daran nichts. Etliche Verlage haben daher ihre Autoren Ende 2016 angeschrieben und darum gebeten, auf die Rückforderung der bereits ausgezahlten Verlagsanteile zu verzichten. Dem Vernehmen nach haben sich immerhin 26.079 Autoren mit ihren Verlagen solidarisch gezeigt und haben auf die Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen für den Zeitraum 2012 - 2015 verzichtet. In diesem Zusammenhang sei kurz darauf hingewiesen, dass keiner der der Verfasserin dieses Beitrags bekannten Autoren von ihren Verlagen unter Druck gesetzt worden ist, wie dies teilweise behauptet wird. Die hier unter Bezug genommenen Schreiben der Verlage an ihre Autoren waren durchweg sachlich formuliert und es ist ebenso unangebracht wie unfair sowie in der Sache wenig hilfreich, wenn bereits das bloße Herantragen einer Bitte an seinen Vertragspartner als „Bettelei“ bezeichnet wird.

Für Verlage, die durch die Rückforderungsbescheide der VG Wort vom wirtschaftlichen Aus bedroht sind, hat die Börsenvereinsgruppe eigens einen Härtefallfonds eingerichtet. In diesen Fonds haben der Börsenverein, die Frankfurter Buchmesse und die MVB zu gleichen Teilen insgesamt 90.000 Euro eingezahlt. Einige Verlage, darunter die Verlage C. H. Beck, Matthes & Seitz und der Kommunal- und Schul-Verlag, haben angekündigt, den Fonds zu unterstützen und die Tantiemen, die ihre Autoren nicht zurückfordern, in den Fonds einzuzahlen.

Auch der deutsche Gesetzgeber ist aktiv geworden und hat als Teil des Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung (BGBl. I 2016, 3037) eine Neuregelung verabschiedet, die die Zusammenarbeit von Urhebern und Verlagen in der VG Wort für die Zukunft sichern soll. Geändert wurden die §§ 27, 27a Verwertungsgesellschaftsgesetz (VGG). Diese regeln eine Beteiligung von Verlagen an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften. Die bisherige Ausschüttungspraxis der Verwertungsgesellschaften konnte so aber nur bedingt wiederhergestellt werden.

Auf Basis der neuen gesetzlichen Regelungen hat die Mitgliederversammlung der VG Wort am 20. Mai 2017 einen neuen Verteilungsplan beschlossen, nach dem die Tantiemen im Ansatz ausschließlich an die Urheber der Texte ausgeschüttet werden. Eine Beteiligung des Verlags an den Ausschüttungen ist nur noch dann möglich, wenn der Autor der Beteiligung seines Verlages ausdrücklich zustimmt, § 5 Abs. 2 des Verteilungsplans Mai 2017. Die Zustimmung zur Verlagsbeteiligung durch den Autor kann bei der Meldung des betreffenden Werks bei der VG Wort anonym erklärt werden, d.h. die Verlage erfahren nicht, welche ihrer Autoren einer Verlagsbeteiligung zugestimmt haben und welche nicht. Eine nachträgliche Erteilung dieser Zustimmung ist ebenfalls möglich. Dieses anonymisierte Verfahren soll sicherstellen, dass die Verlage keinen Druck auf ihre Autoren ausüben können.

Auch die Quoten, nach denen die Tantiemen ggf. zwischen Urheber und Verlag aufgeteilt werden, wurden partiell geändert und transparenter geregelt. Beispielsweise gilt für den Bereich der Online-Publikation für frei verfügbare Texte eine Quote von 70 : 30, also 70 % für den Autor, 30 % für den Verlag. Für Texte hinter Bezahlschranken gilt hingegen eine Quote von 60 : 40.

Der Weg zu diesem neuen Verteilungsplan gestaltete sich extrem schwierig, da eine Gruppe um den Autor Martin Vogel, der das Urteil des BGH vom April 2016 erstritten hat, und eine Journalistengruppe namens „Freischreiber“ es sich offensichtlich zum Ziel gesetzt hatten (und haben), die Verlage gänzlich aus der VG Wort zu drängen.

Nach den Motiven für sein Handeln befragt, gab Martin Vogel in einem Interview an, für die Stärkung der Rechte der Urheber einzutreten. Urheber gehörten zu den deutlich unter dem Durchschnitt verdienenden gesellschaftlichen Gruppen. Zumindest für den Bereich der wissenschaftlichen Publikationen muss tatsächlich konstatiert werden, dass die Honorare, die Autoren und Herausgeber für ihre Werke erhalten, keineswegs den enormen Aufwand decken, den die Erstellung wissenschaftlicher Beiträge verursacht. Für den Broterwerb eignet sich das Verfassen wissenschaftlicher Werke wirklich nicht und an diesem Ergebnis dürfte auch die neue Ausschüttungspraxis der VG Wort kaum etwas ändern. Wissenschaftliche Aufsätze und Bücher werden aber auch eher selten geschrieben, um damit unmittelbar Geld zu verdienen. Diese Publikationen entstehen, weil ihre Urheber Freude an der wissenschaftlichen Arbeit haben, sie sich in die wissenschaftliche Diskussion einbringen möchten und nicht zuletzt, weil sie sich mit ihrem spezifischen Wissen eine Reputation auf ihrem Fachgebiet erarbeiten wollen. Gerade letzteres ist aber ohne die Unterstützung der Verlage nicht denkbar. Ein guter Gedanke ist nicht viel wert und nützt niemandem etwas, wenn er nicht in die Welt hinaus getragen und einem breiten Publikum zur Kenntnis gebracht wird. Diese Aufgabe kommt den Verlagen zu und dieser sind sie bislang auch mit großem Erfolg nachgekommen. Das Ansehen, das die Urheber in der Fachwelt genießen, gründet in nicht unerheblichem Umfang auch auf der Arbeit der Verlage, die die Werke lektorieren, ihnen ein ansprechendes Äußeres verleihen, sie vervielfältigen und eine passende Marketingstrategie entwickeln, damit das Buch in der überwältigenden Masse an Publikationen überhaupt von dem ins Auge gefassten Leserkreis zur Kenntnis genommen wird. Für all diese Leistungen übernimmt der Verlag die Kosten. Er geht hier in Vorleistung und übernimmt das gesamte wirtschaftliche Risiko. Auf diesen Aspekt gehen jene Autoren, die strikt gegen eine Beteiligung der Verlage an den Ausschüttungen der VG Wort sind, kaum ein. Es wird im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die gesetzlichen Vergütungsansprüche einzig und allein den Urhebern zustünden und die Verlage gar keine Rechte hätten, die es rechtfertigen würden, sie an den Tantiemen, die die VG Wort einzieht, zu beteiligen. So hat es, wie bereits beschrieben, auch der BGH gesehen. Doch wer sich mit Rechtsfragen auseinandersetzt, der weiß auch, dass geltendes Recht nicht selten dem persönlichen Gerechtigkeitsempfinden widerspricht. Die rein juristische Sichtweise vermag es häufig nicht, der Lebenswirklichkeit gerecht zu werden. So verhält es sich auch in Bezug auf die Beteiligung der Verlage an den Ausschüttungen der VG Wort. Die Entscheidung des BGH wird der Leistung, die die Verlage erbringen, in keiner Weise gerecht. Sie übersieht gänzlich, dass auch den Verlagen Einnahmen entgehen, wenn Bücher nicht mehr gekauft, sondern in Bibliotheken entliehen oder schlichtweg auszugweise oder in Gänze kopiert werden. Sie würdigt auch nicht, dass die VG Wort in einigen Bereichen zwingend auf die Kooperation mit den Verlagen angewiesen ist, damit überhaupt Geld fließen kann. Dies gilt beispielsweise für die Ermittlung der Tantiemen für online publizierte Artikel. Die Frage, an welcher Stelle das derzeit geltende Vergütungssystem diesen Aspekten Rechnung trägt, beantworten die Karlsruher Richter nicht. Der lapidare Hinweis, den man manchen Kommentaren entnehmen kann, dass die Verlage doch ganz einfach die Vergütung der Autoren in den Verlagsverträgen ändern sollten, wirkt befremdlich. Welcher Betrag soll einem Autor, der für ein wissenschaftliches Handbuch einen Beitrag erstellt, für seine wochenlange, mühevolle und in seiner Freizeit erbrachte Leistung verbleiben, wenn er in der Vergangenheit ein Honorar von vielleicht 500 – 800 Euro erhalten hat, der Verlag ihm aber dieses Honorar zur Kompensation der fehlenden Beteiligung an den Tantiemen kürzt? Dieser Lösungsansatz scheint wenig durchdacht und kann ganz und gar nicht im Sinne der Autoren sein.

Im Sinne des Erhalts der derzeit bestehenden Verlagslandschaft bleibt für den Moment nur zu hoffen, dass möglichst viele Autoren der Beteiligung der Verlage an den Ausschüttungen der VG Wort zustimmen. Langfristig sollte aber auf europäischer Ebene eine Regelung erwirkt werden, die eine Beteiligung der Verlage an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaften ermöglicht.

Jenen Urhebern und Journalisten, die so erbittert gegen die Verlage kämpfen und in dem Glauben verwurzelt sind, dass sie für die Interessen der breiten Masse der Urheber eintreten, sei abschließend mit auf den Weg gegeben, dass sie sich der Richtigkeit ihrer Annahme noch einmal vergewissern sollten. Nicht allein der offene Brief an Martin Vogel, den Karen Köhler am 27. April 2016 in der Zeit veröffentlicht hat, gibt ausreichend Anlass, dies in Zweifel zu ziehen.

 

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